Gedicht der Woche, Woche 6: Emil Boysen "Fenster im Februar"

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Lassen Sie sich, mit 52 Gedichten, wöchentlich mitnehmen auf eine Reise, die Ihnen im Gastlandjahr 2019 die Poesie aus Norwegen näherbringt.

FENSTER IM FEBRUAR Wie hinter der bleichen Dämmerung eines Gedankens nach einer schweren langen Nacht zeichnen sich in der Ferne, jenseits des halbklaren Eises an meinem Morgenfenster, nackt gegen den nackten Himmel, fünf schwarze Stämme, Vergewisserung wirklicher Bäume durch den erwachenden Blick. So früh rufst du mich, strenges Licht? Du bahnst dir deinen Weg hierher mit Geisterhänden, und sieh! Die weiße Wand der Kälte meiner Fensterscheiben, nacht-geduldig um meinen Schlaf errichtet, du brichst sie nieder und wendest mein Gesicht dem Tag zu – obwohl alle Keime tief unter dem Schnee und der Dachs in seiner Höhle schlummern, und noch kein Traum von Frühling in seinem rostigen Herzen geknurrt hat. So sei's! Allein, wie alle von menschlichem Geschlecht mit hoffendem Zweifel, mit zögerndem Glauben, muss ich mich aufs Neue für deine Wunder vorbereiten, Natur! Denn für immer getrennt vom folgsamen Zutrauen des Saatkorns, rastlos sich sehnend nach Zeichen und Anruf und schmerzvoll wechselnd zwischen Erwartung und Furcht, lebt der Mensch im Kreislauf der Dinge. Und ich, wissend von der Bedeutung der Zeichen, will ehrerbietig dem fordernden Gast entgegentreten, dessen knöcherne Gespensterhand gegen die Scheiben geklopft hat. Ich erhebe mich stumm, in einer vagen Stummheit von Erinnerungen (denn, ach, wie viele Male hat das Jahr gewechselt, seitdem ich zum ersten Mal, an der Schwelle der Jugend, die Rückkunft des Lichts begrüßte!) und nicht ohne Sehnsucht, nein, vielleicht mit größerer, wenn auch stillerer Sehnsucht, aber genügsamer in der Hoffnung, trete ich ans Fenster, ruhig, wie vor einem Richter. Und durch den durchbrochenen Schleier des Schlafs auf dem Auge des Fensters starre ich hinaus und wundere mich, ob in meinem Gemüt vielleicht noch einmal ein flüchtiges Samenkorn, von der Hand des Glücks geworfen, überwintert hat und seiner Zeit harrt, heiliger Zeit der Prüfung, zusammen mit dem Frühling, der verhüllt da draußen liegt, wo der Blick sich niederbohrt und nichts findet in der frostschwarzen Öde des Gartens, lichtzerstört, während der erste Ruf der Kohlmeise in die Leere verklingt, ungehört. Übersetzung von Annette Vonberg
VINDU I FEBRUAR Som bakom den bleke demring av en tanke efter en tung lang natt, tegner sig fjernt, hinsides halvklar is på mitt morgenvindu, nakne mot naken himmel fem sorte stammer: det våknende blikks forvissning om virkelige trær. Så tidlig kaller du mig, du strenge lys? Du baner dig vei hit inn med ånde-hænder, og, se! den hvite mur mine ruters kulde natte-tålmodig bygget omkring min søvn, bryter du ned og snur mitt ansikt mot dagen – skjønt alle spirer slumrer dypt under sne, og grevlingen i sin hule, og ingen drøm ennu har knurret om vår i hans rustne hjerte! Velan! Alene, som alle av menneske-ætt, med håpende tvil, med nølende tro, må jeg atter berede mig selv for ditt Unders komme, Natur! Ti evig skilt fra så-kornets lydige tillit, i rastløs higen efter varsler og løsen, og skiftende smertefullt mellem forventning og frykt lever mennesket med i tingenes kretsløp. Og jeg, som minnes hvad tegnene betyr, vil høvisk møte den fordringsfulle gjest hvis klingre gjenfærds-kno har banket på ruten. Jeg reiser mig, stumt, i en vâg stumhet av minner (for, akk, hvor mange ganger har året snudd siden jeg første gang, ved ungdommens terskel, hilste velkommen lysets tilbakekomst!) og ikke uten lengsel, nei kanskje med større skjønt stillere lengsel, men mere nøisom på håp trer jeg mot vinduet, rolig som foran en dommer. Og gjennem det brustne søvn-slør på rutens pupille stirrer jeg ut, og undres, om i mitt sind kanhende enda en gang et flyktig frø, slynget av lykkens hånd, har overvintret og bier sin tid, den hellige prøves tid, sammen med våren som ligger i svøp der-ute hvor blikket borer sig ned og intet finner i havens frost-svarte tomhet, herjet av lys, mens kullmeisens første rop hen-klinger i ødet uhørt.

Aus Emil Boyson (1897–1979), Utvalgte dikt, Gyldendal Norsk Forlag, Oslo 1959.

Gedicht der Woche. 52 Gedichte durch das Jahr

Seit den ersten Niederzeichnungen mit Felszeichnung und Runeninschrift, genießt die Dichtung und die Poesie eine starke Stellung in Norwegen. Durch die wöchentliche Präsentation eines Gedichts im Jahr 2019, möchten wir die Qualität und Vielfältigkeit der norwegischen Poesie beleuchten. "Gedicht der Woche" stellt 52 Gedichte vor, die vom Jahresablauf und den wechselnden Jahreszeiten inspiriert sind. Die Auswahl ist von Annette Vonberg und Tone Carlsen getroffen worden und umfasst Lyrik von den ersten Handschriften bis hin zu zeitgenössischer Poesie.

Gedicht der Woche